Wohngebäude
müssen laut Energieeinsparverordnung (EnEV) nahezu luftdicht sein.
Gleichzeitig ist der
für ein hygienisches Raumklima erforderliche
Mindestluftwechsel nach DIN 1946-6 sicherzustellen.
Aufgrund von Schimmelpilzbildungen in fast luftdichten Wohngebäuden diskutiert
die Fachwelt darüber, wie und durch wen die ausreichende Lüftung sicherzustellen
ist. Die Lüftungsanforderungen gelten für Neubauten und im Gebäudebestand
gleichermaßen, wobei die Gebäude im Bestand bisher weniger Lüftungsprobleme
hatten, da der Anteil von natürlicher Infiltration durch Fenster- und Türfugen
sowie undichte Dachaufbauten höher war.
Werden
im Gebäudebestand Fenster und Türen ausgewechselt, geht dies immer, bedingt
durch die 2- oder auch 3-fachen Falzdichtungen, mit einem erforderlichen neuen Lüftungsverhalten
der Bewohner einher. Faustregeln zum Lüften sind oft hilfreich, berücksichtigen
jedoch nicht die nutzerabhängigen Randbedingungen und die sich neu ergebende
bauphysikalische Situation. Trotzdem möchte ich hier eine Regel angeben:
3
Stoßlüftungen pro Tag, wobei abhängig von der Außentemperatur und den
vorhandenen Windverhältnissen je Stoßlüftung 2 bis 10 Minuten ausreichen.
Viele
Menschen finden es nicht zumutbar wie beschrieben zu lüften. Oft sind die
Fensterbänke mit Blumen verstellt und das regelmäßige Öffnen erscheint zu
umständlich. Das richtige Lüften ist jedoch keine Frage der Zumutbarkeit, wie
es in Gerichtsurteilen leider oft heißt, sondern eine Frage der Notwendigkeit aufgrund der gegebenen Bau-,
Außenklima- und Nutzungsverhältnisse, wenn man schadensfrei und behaglich
wohnen will.
Wird nicht gelüftet, ist dies eklatant ungesund und für die Bausubstanz
je nach Bausituation gefährdend. Ungesund wird es, da der CO2-Gehalt und die
Belastung durch ausdampfende Schad- und Geruchsstoffe aus Möbeln, Belägen und
Menschen zunehmen. Unbehaglich wird es weiterhin durch das mögliche ansteigen
der relativen Feuchtigkeit auf Werte über 65 %. Ideal ist eine relative
Luftfeuchte von 40 bis 65%. Hohe Luftfeuchtigkeit ist parallel auch die Ursache
für die bekannten Schimmelschäden an den Wärmebrücken des Gebäudes.
Mit zunehmender Luftfeuchte steigt die Taupunkttemperatur,
die angibt, ab welcher Temperatur Wasser an Flächen (Wärmebrücken) mit dieser
Temperatur kondensiert. Beispiel Lufttemperatur 21 °C: - Feuchte: 65 % entspricht Taupunktemperatur: 14,2 °C - Feuchte: 80 % entspricht Taupunktemperatur: 17,4 °C.
Frische
Luft gelangt durch die nachfolgenden 3 unterschiedlichen Wege ins Haus und
verlässt das Gebäude als verbrauchte Luft an anderer Stelle:
Infiltration
durch Fugen und Ritzen (Winddruck u. -sog / Luv u. Lee)
Fensterlüftung (nutzerabhängig)
und
Lüftungstechnische
Maßnahmen (Lüfter mit u. ohne Wärmerückgewinnung)
Um
genau festlegen zu können ob zusätzliche lüftungstechnische Maßnahmen
erforderlich sind muss ein Lüftungskonzept
von einem Fachmann erstellt werden. Der jeweilige Luftwechsel zum Feuchteschutz
muss dabei anhand verbindlicher Berechnungsmethoden ermittelt werden. Wird die Luftwechselrate zum
Feuchteschutz nicht allein mittels Infiltration erreicht, wird zunehmend ein
Einbau von zentralen Lüftungsanlagen oder zumindest dezentralen Lüftungsgeräten
gefordert. Der Gesetzgeber geht jedoch aktuell davon aus, dass Wohnungen in
Deutschland nach wie vor auch nur mit
Fensterlüftung und natürlicher Infiltration betrieben werden können.
Fachgerecht und zumutbar ist dabei nach derzeit gefestigter Rechtsmeinung mindestens
dreimaliges Stoßlüften am Tag auch bei beruflicher Abwesenheit.
Häufig
wird davon ausgegangen, dass
entweder nur Fensterlüftung vorhanden sein soll oder der gesamte
Luftaustausch über Geräte erfolgt.
Der Erfahrung der Experten von TÜV Süd
Industrie Service* zufolge muss ein dezentrales Lüftungsgerät jedoch nicht
für den gesamten Luftwechsel dimensioniert werden, sondern kann gegebenenfalls
auch nur für den Lastfall Feuchteschutzlüftung ausgelegt werden. Im Diagramm rechts ist
die Feuchteschutzlüftung als untere Kurve für gut gedämmte und die zweite Kurve
von unten für wenig gedämmte Wohnungen dargestellt. Das Diagramm entstammt der
im Mai 2009 überarbeiteten DIN 1946-6 und
zeigt den erforderlichen Gesamt-Außenluftvolumenstrom
in m³/h bezogen auf die Wohnfläche in m² der jeweiligen Nutzungseinheit. Mit
Außenluftvolumenstrom ist das gesamte durchströmende Luftvolumen in Kubikmeter
pro Stunde gemeint. Nach Ansicht von TÜV Süd* ist weiterhin der Verzicht auf
den Ansatz der Fensterlüftung im Lüftungskonzeptvorschlag technisch gesehen
nicht zwingend erforderlich.
Will
man ganz sicher gehen und gleichzeitig Energie sparen, bieten sich im Rahmen
von Sanierungen insbesondere dezentrale Lüftungsgeräte
mit Wärmerückgewinnung an. Diese können nachträglich, auch stufenweise nach
Erfordernis, eingebaut werden, lassen sich verhältnismäßig leicht reinigen und die
Akzeptanz der Nutzer ist hoch. Mit der Wärmerückgewinnung lassen sich 75 - 85 %
der Lüftungswärmeverluste zurückholen. Bei energetischen Sanierungen ohne
Wärmerückgewinnung vergrößert sich der prozentuale Anteil der Lüftungsverluste im
Bezug zu den energetischen Gesamtverlusten des Gebäudes. Die absoluten Lüftungsverluste
bleiben dann gleich, da wir frische Luft zum Atmen, unabhängig vom
Dämmstandard, benötigen.
Die
Infiltrationsrate über die Gebäudehülle lässt sich auch über so genannte Fensterlüfter
oder eine Fensterspaltluftstellung erhöhen, die allerdings keine Wärmerückgewinnung
ermöglichen. Führen Wärmebrücken aufgrund nachträglich eingebauter Fenster zu
Schimmelbefall, kann das nachträgliche Anbringen einer Wärmedämmung eine Lösung
sein. Zudem können Gebäudeeigentümer mit den Nutzern auch bestimmte vertragliche
Vereinbarungen zum Lüftungsverhalten
treffen.
WMG
erläutert Ihnen gerne die Details eines dezentralen Lüftungskonzeptes.
* siehe
Artikel in TAB Technik am Bau, Ausgabe 02 /2010
„Energieeffizienz und Lüftung - ein Widerspruch?"
und Artikel aus
der Zeitschrift: Modernisierungs-Magazin, ISSN: 0943-528X, Jg.: 22, Nr.4, 2010